Winter Semester 2016/17: Diagrammatik oder: Thesen zu einem visuell-räumlichen Experimentierfeld
donnerstags, 14-täglich, 10–14 Uhr, Beginn: 03.11., Raum 112
Diagrammatik als interdisziplinäres Forschungsfeld ist in den letzten Jahren populär geworden. Gründe hierfür mögen die Zusammenführung von Diskurselementen des pictorial turnund des spatial turnsein, aber auch die Anschlussfähigkeit an Phänomene der visual culture, wie etwa Entwurfspraktiken als Kulturtechnik oder visuelle Strategien des interface design. Ein zentrales Faszinosum ist die Kapazität von Diagrammen, Sachverhalte als Projektionen auf eine zweidimensionale Fläche nicht nur darzustellen, sondern diese in der Darstellung oft erst herzustellen: Logische Notationen, statistische Kurven, künstlerische Entwürfe von Denkmodellen und dergleichen verweisen nicht auf physische Objekte in der Welt – vielmehr produzieren sie ihre Objekte als visuelle Hypothesen, die auf Strukturen und Relationen abzielen. Das Seminar zeichnet die Herkünfte einer expliziten Diagrammatik aus der Semiotik (C. S. Peirce) und ihre Einwanderung in die Medien-, Kultur- und Kunstwissenschaft, Philosophie, formale Logik und Kognitionswissenschaften nach. Es hält dabei Ausschau nach Ansätzen einer impliziten Diagrammatik, etwa in der Informationsästhetik oder der künstlerischen Praxis. Auch versucht es, jene Prämissen einer Philosophie des Geistes festzumachen, die es erlauben, Diagramme als „Denkdinge“ bzw. als Externalisierungen von Gedankenexperimenten zu konzeptualisieren, und die im deutschsprachigen Diagrammatik-Diskurs oftmals unreflektiert vorausgesetzt werden.